03 Oktober 2015 ~ 0 Comments

Sie begreifen es einfach nicht

Der Kardinalfehler im Denken des Westens
Der Westen hat immer und überall das Rezept parat, um den Nahost-Konflikt zu lösen. Seit Jahrzehnten wird das Rezept ausprobiert und sein Scheitern nicht akzeptiert – schon gar nicht als Anlass genommen, das Konzept zu überdenken. Gleich zwei Autoren haben sich des Themas anhand einer Äußerung des US-Generals Petraeus angenommen:

– Elder of Ziyon: Sie begreifen es einfach nicht
– Barry Rubin: Führende Amerikaner zeigen, dass sie den Nahen Osten nicht begreifen…

Sie begreifen es einfach nicht
Original: They just don’t get it
Aus dem Daily Star (Libanon):

General David Petraeus, Chef des US Central Command, sagte (damals) gegenüber der Zeitung al-Hayat in veröffentlichten Kommentaren, dass die Administration von US-Präsident Barack Obama die Hisbollah als Terror-Organisation betrachte; er fügte hinzu, dass die Partei nicht zur Förderung der Stabilität im Libanon beitrage. „Die Rechtfertigungen der Hisbollah für ihre Existenz werden nichtig, wenn die Palästinenserfrage gelöst wird. Eine Vereinbarung über einen Friedensprozess im Nahen Osten zu erreichen, wird für einige Gruppen die ‚Begründungen für: ihre Existenz eliminieren“, erklärte er. Petraeus fügte hinzu, dass die Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts den Weg für Araber und Muslime ebnen wird, den USA in ihrem Krieg gegen den Terror zu helfen.
Der größte Einzelfehler, den gut meinende Westler machen, wenn sie den Nahen Osten analysieren, ist der, dass sie annehmen, jeder denke auf die gleiche Art wie sie.

Für einen Westler scheint es offensichtlich, dass Organisationen, die keinen logischen Grund für ihre Existenz haben, irrelevant werden würden. In der arabischen Welt liegen die Dinge ganz anders.
Westler betrachten ein Problem und versuchen instinktiv eine optimale, logische Lösung zu finden. Sie wollen eine gerade Linie von Punkt A nach Punkt B ziehen. Sie schaffen Projektpläne, halten Konferenzen ab, diskutieren Probleme und versuchen jeden glücklich zu machen – alles mit der darunter liegenden Haltung, dass jedermann so ist wie sie.
Araber denken nicht so wie wir. Die Westler müssen aufhören den quadratischen arabischen Pfahl in das runde westliche Loch stecken zu wollen und endlich eine völlig fremde Denkart begreifen.
(Das soll nicht wertend sein. Ich sage nicht, dass irgendeine dieser Denkweisen überlegen ist, nur dass sie enorm unterschiedlich sind.)
Die Westler müssen die arabische Anhänglichkeit an Symbolismus, Stolz und die Religion begreifen, damit sie solch fehlerhafte Analysen vermeiden.
In westlichen Augen hatte die Hisbollah nie einen Existenzgrund, seit Israel sich auf die von der UNO gezogene Blaue Linie zurückzog. Doch es gibt sie heute und sie ist mächtiger denn je zuvor. Das sollte Grund genug sein sich noch einmal anzusehen, was die Hisbollah eigentlich ist.

Die direkte Methode ist oft die einfachste. Der nächste Absatz entstammt der Charta der Hisbollah:

Unsere Haupt-Annahme in unserem Kampf gegen Israel legt fest, dass das zionistische Gebilde von Anbeginn aggressiv und auf Land gebaut ist, das seinen Eigentümern entrissen wurde, auf Kosten der Rechte des muslimischen Volks. Daher wird unser Kampf erst enden, wenn dieses Gebilde ausgemerzt ist. Wir erkennen keinen Vertrag mit ihm an, keinen Waffenstillstand und keine Friedensvereinbarung, ob separat oder gemeinsam.

Die Erfahrung hat gezeigt: Wenn eine arabische Terror-Organisation Äußerungen wie diese macht, dann werden diese nie zurückgenommen.
Aus arabischer Perspektive ist die „Rechtfertigung“ der Hisbollah kristallklar und eindeutig: Sie wird weiter existieren, bis Israel vernichtet ist. Für eine große Zahl Araber würde ein Friedensvertrag, per definitionem zwischen Israel und arabischen Verrätern, eine nutzlose Geste sein, deren einziger möglicher Zweck es wäre Israel in Stufen zu vernichten. Für sie ist schon Israels Existenz ein nicht verzeihlicher Affront für ihre Ehre als Araber. Die Hisbollah ist nicht palästinensisch.

Selbst, wenn wir Israel vergessen, hat die Hisbollah zwei weitere Zielsetzungen, die sie nach jedem „Friedensvertrag“ wichtig bleiben lässt: Sie wollen den Libanon in einen fundamentalistisch-islamischen Staat verwandeln und (das ist neuer) sie ermöglicht es dem Iran seinen Einfluss im Nahen Osten zu verstärken. (Auch Syrien findet die Hisbollah zur Förderung seiner Interessen nützlich.)
Wenn man dies aus dieser Perspektive betrachtet – und das meiste davon sagt die Hisbollah in sehr deutlicher Sprache – dann ist die Vorstellung, dass ein Friedensvertrag der palästinensischen Autonomiebehörde mit Israel die Hisbollah schwächen würde, lachhaft, gefährlich und naiv.
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Führende Amerikaner zeigen täglich, dass sie den Nahen Osten nicht begreifen – und deshalb versagt ihre Politik

Original: U.S. Leaders Show Every Day They Don’t Understand the Middle East
and That’s Why Their Policies Fail

Genral David Petraeus ist für seine schwere Arbeit im Irak in den höchsten Tönen gelobt worden und ich möchte ihm hier keinen Respekt verwehren. Aber jeden Tag machen führende Amerikaner Äußerungen, die zeigen, dass sie es versäumen die Nahost-Politik nicht begreifen; und das ist der Grund, dass ihre Politik nicht funktioniert.
Es ist keine Frage der Haltung zu Israel, die gewöhnlich das Problem ist, sondern die Karikatur arabischer Politik, die in ihren Köpfen sitzt.
Petraeus sagte in einem Interview mit der Zeitung al-Hayat – vorausgesetzt seine Worte sind vollständig und genau berichtet worden – die US-Regierung betrachte die Hisbollah als Terror-Organisation, die nicht zur Stabilität des Libanon beitrage.
Wenn das stimmt, bedeutet es, dass eine von der Hisbollah dominierte Regierung oder selbst eine Koalition, in der die Hisbollah Veto-Macht hat, keine Unterstützung und Hilfe der USA erhalten wird. Wir werden sehen, ob das wirklich passiert.
Aber hier ist die Bemerkung, die ich herausheben möchte:

„Die Rechtfertigungen der Hisbollah für ihre Existenz werden nichtig, wenn die Palästinenserfrage gelöst wird. Eine Vereinbarung über einen Friedensprozess im Nahen Osten zu erreichen, wird für einige Gruppen die ‚Begründungen für: ihre Existenz eliminieren.“

Es ist wirklich schockierend. Erstens ist die Hisbollah eine Organisation, die – mit viel Erfolg – die Führung aller libanesischen Schiiten anstrebt. Von daher würde ein Ende des arabisch-israelischen Konflikts keine Auswirkungen welcher Art auch immer auf die Existenz der Gruppe haben.
Zweitens versucht die Hisbollah den Libanon im größtmöglichen Ausmaß zu beherrschen.

Drittens ist die Hisbollah ein Agent – keine Marionette, sondern ein echter Jünger, wenn auch mit ihrer eigenen, unabhängigen Entscheidungsgewalt – des Iran und Syriens. Selbst wenn die palästinensische Autonomie verschwinden sollte, würde Hisbollah weiter die Interessen ihrer Sponsoren vertreten, die in ihren Absichten antiamerikanisch und Revolution ausübend sind.
Viertens ist die Hisbollah eine islamistische Gruppe, die den Libanon gerne in einen islamistschen Staat nach iranischem Vorbild verwandeln würde. Es ist nicht wahrscheinlich, dass das passiert, aber es ist ein Motiv, das über den arabisch-israelischen Konflikt hinaus geht und die Hisbollah weiter motivieren wird.
Und schließlich: Da die Hisbollah und ihre Sponsoren sich verschrieben haben den Konflikt für ihre eigenen politischen Zwecke zu nutzen und wirklich gegen Israels Existenz unter welchen Umständen auch immer sind, würde die Hisbollah, sollten Israel und die palästinensische Autonomie eine Friedensvereinbarung erzielen, extrem hart – und gewalttätig – daran arbeiten jegliche solche Vereinbarung zu sabotieren, sowohl durch Angriffe auf Israel aus dem Norden, als auch durch Unterstützung der Hamas beim Versuch die palästinensische Autonomiebehörde zu stürzen.

All dies ist elementar. Wenn Petraeus das nicht begreift, dann geht in der US-Politik etwas ernsthaft schief. Dass er das öffentlich sagt, ist noch schlimmer.
Nein, die arabisch-israelischen oder israelisch-palästinensischen Konflikte sind nicht der Kern von allem, das im Nahen Osten falsch läuft. Das von Petraeus gezeigt Denken ist das Gleiche, als würde man sagen, wenn der Westen der Sowjetunion die Kontrolle über Osteuropa gibt (Ö1945) oder die USA Japan gegenüber genügend Respekt zeigt (1941) oder Großbritannien und Frankreich die westliche Tschechoslowakei Deutschland überlassen (1938), dann wird es keine Konflikte mit diesen Kräften mehr geben.
Die Hisbollah und andere radikale Islamisten mögen den Palästinensern helfen wollen Israel zu vernichten, aber sie existieren, weil sie Staatsmacht übernehmen und ihre Gesellschaften verändern wollen. Ist das wirklich so schwer zu begreifen?
Und selbst, wenn es eine vergleichbare Vereinbarung zur Beendigung des Konflikts gibt und die Palästinenser einen eigenen Staat erhalten, würden sie diese diplomatische Lösung ablehnen, sich also nicht völlig aus dem Geschäft zurückziehen.

Ironischerweise versteht das amerikanische Volk die Dinge oft besser als ihre Eliten. In einer vor kurzem durchgeführten Umfrage von USA Today und Gallup bezweifelten die Amerikaner mit einer Marge von 66 zu 32 Prozent, „dass eine Zeit kommen wird, in der Israel und die arabischen Nationen in der Lage sein werden ihre Differenzen beizulegen und in Frieden zu leben“. Das ist die am wenigsten optimistische Einschätzung in Umfragen der letzten zehn Jahre.

Übersetzung aus dem Englischen: H.Eiteneier

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